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Neurogene Stuhlinkontinenz

Was ist eine neurogene Stuhlinkontinenz?

Bei einer neurogenen Stuhlinkontinenz sind Betroffene nicht fähig, das Ausscheiden von Stuhl aus dem Mastdarm willentlich zu kontrollieren. Diese Kontrolle gewinnen Menschen normalerweise im Laufe der frühen Kindheit. Zu einer Stuhlinkontinenz kann es aufgrund vieler verschiedener Ursachen kommen. Bei einer neurogenen Stuhlinkontinenz sind die Auslöser Schäden des Rückenmarks oder des Gehirns.

Charakteristisches Symptom bei einer Stuhlinkontinenz ist, dass Darminhalt, ohne dass Betroffene es kontrollieren können, aus dem After abgeht. Dabei kann es sich sowohl um geformten oder flüssigen Stuhl, aber auch um Schleim aus dem Darm oder Luft handeln. Die neurogene Stuhlinkontinenz kann, je nach den dabei auftretenden Symptomen, in verschiedene Schweregrade eingeteilt werden.

Bei einer Stuhlinkontinenz vom Grad 1 kommt es zu einem unkontrollierten Abgang von Luft. Meist zeigt sich eine leichte Verschmutzung der Unterwäsche, das so genannte Stuhlschmieren. Geht nicht nur Luft, sondern auch dünnflüssiger Stuhl ab und zeigt sich ein gelegentlicher unkontrollierter Stuhlabgang, sprechen Ärzte von einer Stuhlinkontinenz vom Schweregrad 2. Beim Grad 3 zeigt sich eine Stuhlinkontinenz, bei der Stuhl und Luft vollständig ohne Kontrolle abgehen können.

In den westlichen Industriestaaten kommt es Schätzungen zu Folge bei etwa fünf Prozent der Bevölkerung zu einer Stuhlinkontinenz. Das bedeutet, dass in Deutschland bis zu fünf Millionen Menschen an einer unterschiedlich stark ausgeprägten Stuhlinkontinenz leiden. Frauen sind von einer Stuhlinkontinenz etwa vier bis fünf Mal häufiger betroffen als Männer. Außerdem steigt mit zunehmendem Alter die Zahl der Betroffenen.

Anatomie des Kontinenzorgans

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Aufbau des letzten Darmabschnitts

Am Ende des Verdauungstrakts mündet der Mastdarm (Rektum), auch Enddarm genannt, in die Darmöffnung, den After. Im Mastdarm sammelt sich der Stuhl, bevor er ausgeschieden wird. Damit er diese Funktion als Reservoir erfüllen kann, muss er aus einem dehnbaren Gewebe bestehen. Die Kontrolle über die Ausscheidung des Stuhls erfüllt der so genannte Schließmuskel (Sphinkter), ein ringförmiger Muskel, der sich kurz vor dem Ausgang des Darms befindet und in den aus Muskeln und Bindegewebe bestehenden Beckenboden eingelassen ist. Der Schließmuskel besteht aus zwei Anteilen: Einerseits aus dem aus glatter Muskulatur gebildeten inneren Schließmuskel, der nicht willentlich beeinflusst ist. Andererseits aus dem aus quergestreifter Muskulatur bestehenden äußeren Schließmuskel, der bewusst an- und entspannt werden kann.

Gesteuert wird die Funktion des Schließmuskels, des Beckenbodens und des Mastdarms über in der Darmwand befindliche Nerven. Über diese übermittelt das Gehirn Befehle in Form elektrischer Signale an die jeweiligen Organe und steuert auf diese Weise die Ausscheidung von Stuhl. Dabei legen diese Signale ihren Weg über das Rückenmark und schließlich über die Nerven des Kreuzbeins (Sakrum) im unteren Rücken, die so genannten Sakralnerven, zurück. Insgesamt existieren 31 Paare der Sakralnerven, die neben Mastdarm und Schließmuskel auch die Muskeln der Harnblase steuern.

Bei gesunden Menschen gibt es beispielsweise einen Schutzreflex, den so genannten Guarding-Reflex, durch den das Gehirn dem Schließmuskel das Signal gibt, geschlossen, das heißt angespannt, zu bleiben. Stuhl kann auf diese Weise nicht unbeabsichtigt abgehen. Beim Toilettengang gibt das Gehirn dagegen über die Nerven das Signal, den Schließmuskel zu entspannen und der Stuhl wird ausgeschieden. Außerdem sind die Nerven in die Lage, ihrerseits Signale an das Gehirn zu senden. So wird beispielsweise weitergeleitet, wenn der Mastdarm sich mit Luft oder Stuhl füllt.

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Was sind die Ursachen?

Bei einer neurogenen Stuhlinkontinenz sind die Ursachen des unkontrollierbaren Abgangs von Stuhl Schäden am Gehirn oder den Nerven des Rückenmarks. Zu diesen Schäden kann es aufgrund von verschiedenen Erkrankungen kommen, die beispielsweise Entzündungen zur Folge haben oder auf andere Art und Weise die Nerven schädigen oder angreifen. Beispiele für solche Erkrankungen sind:

  • Schlaganfall
  • Demenz
  • Morbus Alzheimer
  • Multiple Sklerose
  • Morbus Parkinson
  • Tumoren oder Metastasen bei Krebserkrankungen, wie beispielsweise einen Gehirntumor
  • Periphere Neuropathie
  • Spina bifida (Spaltbildung an der unteren Wirbelsäule)
  • Cauda equina-Syndrom (Quetschung des pferdeschweifförmigen Nervenfaserbündels am Ende des Rückenmarks)

Außerdem kann es durch Verletzungen oder Unfälle zu einer Schädigung der Nerven und damit zu einer neurogenen Stuhlinkontinenz kommen. Beispiele hierfür sind Bandscheibenvorfälle oder das so genannte Cauda-equina-Syndrom, eine Quetschung des pferdeschweifförmigen Nervenfaserbündels am Ende des Rückenmarks. Auch als Folge einer Querschnittslähmung (Tetraplegie) kann es zu Beschwerden wie einer Stuhlinkontinenz kommen.

Wie erfolgt die Diagnose?

Bei der Stuhlinkontinenz ist es das Ziel der Diagnose, die Ursache für den unkontrollierbaren Abgang von Stuhl herauszufinden. Erster Schritt ist immer ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt (Anamnese). Dieser wird dabei Fragen zu Häufigkeit und Dauer der Stuhlinkontinenz, zur Beschaffenheit des Stuhls und zur Häufigkeit des Stuhlgangs stellen. Einen Hinweis auf die jeweilige Ursache können auch Angaben zu weiteren Symptomen, bereits bekannten anderen Erkrankungen, Verletzungen oder Unfällen liefern.

Nach dem Gespräch folgt eine gründliche körperliche Untersuchung, bei der der Arzt unter anderem den Enddarm vom After aus mit einem Finger austasten wird (rektale Palpation). Bei dieser Untersuchung kann er nicht nur die Kraft des Schließmuskels beurteilen, sondern auch der Beckenboden und mögliche Aussackungen des Enddarms kontrolliert werden.

Außerdem werden meist weitere Untersuchungen durchgeführt, um die Ursache einer Stuhlinkontinenz zu bestimmen und herauszufinden, ob es sich um eine neurogene Stuhlinkontinenz handelt oder der unkontrollierte Abgang von Stuhl andere Gründe hat. Zu diesen Untersuchungen zählen beispielsweise:

  • Darmspiegelung
    Im Rahmen einer Spiegelung (Endoskopie) des Mastdarms (Rektoskopie) und des Dickdarms (Koloskopie) kann der Arzt Auffälligkeiten wie Entzündungen, Aussackungen oder andere Veränderungen der Darmwand erkennen. Bei der Untersuchung wird ein dünner, flexibler Schlauch – meist unter einer kurzen Narkose – über den After in den Darm eingeführt und bis zum Beginn des Dickdarms, manchmal auch bis zum Ende des Dünndarms, vorgeschoben. Anschließend zieht der Arzt den Schlauch langsam und vorsichtig wieder zurück. Dabei überträgt eine kleine Kamera, die sich am Ende des Schlauchs zusammen mit einer Lichtquelle befindet, Bilder aus dem Inneren des Darms auf einen Monitor. Auf diesem kann der Arzt dann jeden Zentimeter der Darmwand auf Auffälligkeiten und Veränderungen untersuchen. Aus auffälligen Stellen kann er außerdem gleichzeitig mithilfe einer kleinen Zange Gewebeproben (Biopsie) der Darmwand entnehmen und anschließend im Labor durch einen Pathologen untersuchen lassen.

  • Bildgebende Verfahren
    Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann der Arzt mögliche Schädigungen des Schließmuskels oder Veränderungen des Enddarms erkennen. Außerdem kann durch eine Magnetresonanztomographie (MRT), auch Kernspintomographie, eine mögliche Schädigung des Schließmuskels, des Mastdarms oder des Beckenbodens festgestellt werden.

  • Druckmessung
    Um den Druck des Schließmuskels zu messen, wird ein Untersuchungsgerät mit einem Messfühler in den Enddarm eingeführt. Anschließend wird dieser langsam und vorsichtig wieder herausgezogen und dabei die unterschiedlichen Druckverhältnisse im Bereich des Schließmuskels bestimmt. Schäden des inneren oder äußeren Schließmuskels können auf diese Weise erkannt werden.

  • Defäkographie
    Bei der Defäkographie wird der Enddarm mit einem Kontrastmittel gefüllt. Wie dieses den Darm über den After wieder verlässt, wird in einem Röntgenbild verfolgt. Auf diese Weise kann der Arzt Veränderungen der Darmwand und des Beckenbodens erkennen.

  • Neurologische Untersuchungen
    Mithilfe verschiedener neurologischer Untersuchungen kann der Arzt überprüfen, ob es eine Störung des Signals zwischen Gehirn und Schließmuskel beziehungsweise Mastdarm gibt. Häufige Untersuchungsverfahren sind dabei die so genannte Beckenbodenelektromyographie (BB-EMG), bei der die elektrische Spannung in den Muskeln des Beckenbodens gemessen wird, und die Messung der Leitgeschwindigkeit des Nervus pudendus. Dieser Nerv gehört zu den Sakralnerven und steuert damit unter anderem die Funktion des Schließmuskels.

  • Sensibilitätstest
    Bei einer neurogenen Ursache einer Stuhlinkontinenz ist aufgrund von Schäden der Nerven meist auch die Sensibilität des Analbereichs gestört. Mithilfe bestimmter so genannter Sensibilitätstests kann die Empfindlichkeit des Mastdarms und der Hautregion um den After beurteilt werden. Beispiele für diese Untersuchungen sind beispielsweise ein Ballontest, bei dem mit einem aufblasbaren Ballon von innen Druck auf die Wand des Mastdarms ausgeübt wird, oder auch Tests mit Nadeln oder Pinseln, die über die Haut gestrichen oder vorsichtig in sie gestochen werden. Auch mithilfe von Kälte oder Wärme kann die Sensibilität getestet werden.

Wie erfolgt die Therapie?

Die Therapie einer Stuhlinkontinenz richtet sich in erster Linie nach ihrer Ursache. Zwei Therapieverfahren können allerdings grundsätzlich, auch bei nicht neurogenen Ursachen, eingesetzt werden.

Eins der Verfahren ist die so genannte Stuhlgangsregulierung, die das Ziel hat, einen geschmeidigen Stuhl zu produzieren, der ohne einen großen Druck ausgeschieden werden kann. Dies bedeutet, dass entweder ein zu fester Stuhl bei einer Verstopfung (Obstipation) verdünnt und ein zu flüssiger Stuhl bei einer Durchfallerkrankung verdickt werden muss. Eine Verdünnung des Stuhls kann unter anderem durch eine Erhöhung der Trinkmenge, eine Verfestigung kann durch die Aufnahme einer ballaststoffreichen Ernährung erreicht werden.

Ein pharmakologischer Wirkstoff, der bei neurogen bedingter Verstopfung eingesetzt werden kann, ist zum Beispiel Bisacodyl. Das Laxans kann als Zäpfchen oder in Tablettenform eingenommen werden. Da es sich bei Bisacodyl um ein synthetisches Abführmittel handelt, welches zu Wasser- und Elektrolytmangel führen kann, wird die Einnahme nur vorübergehend und nicht dauerhaft empfohlen. Neben Bisacodyl und Natriumpicosulfat gibt es osmotische Laxanzien wie Macrogol, Lactulose oder auch Lactose (Milchzucker). Einzig Macrogol ist auch bei längerer Anwendung gut verträglich.

Ein weiteres Verfahren, um die Symptome bei einer Stuhlinkontinenz zu lindern, ist die so genannte Anale Irrigation. Bei dieser Therapiemethode wird mithilfe einer Darmspülung der Darm gereinigt und vorhandener Stuhl entfernt. Wird sie regelmäßig durchgeführt – was auch zu Hause möglich ist – kann kein Stuhl mehr unkontrolliert abgehen und Betroffene sind in der Lage, wieder am sozialen Leben teilzunehmen. Gleichzeitig wird übrigens auch die Darmwand durch regelmäßige Spülungen gekräftigt.

Eine ursächliche Therapie bei einer neurogenen Stuhlinkontinenz ist das relativ neue Verfahren der so genannten sakralen Nervenstimulation. Dieses Verfahren ähnelt von seinem Prinzip einem Herzschrittmacher und wurde ursprünglich für die Behandlung der Harninkontinenz, das heißt dem unkontrollierbaren Abgang von Urin, entwickelt. Mittlerweile wird die Methode aber auch bei vorhandener neurogenen Stuhlinkontinenz angewendet. Bei dem Verfahren wird im Rahmen einer Operation eine Elektrode eingesetzt, die den Schließmuskel stimulieren kann. Gesteuert wird die Elektrode über ein unter die Haut im Gesäß eingepflanztes Schrittmacheraggregat, das schwache elektrische Impulse an die Sakralnerven abgibt, die wiederum den Schließmuskel an- und entspannen können. Durch diese Methode kann eine Funktionstüchtigkeit des Schließmuskels wiederhergestellt werden.

Inkontinenz-Hilfsmittel bei Neurogener Stuhlinkontinenz

Bei der Bewältigung von Inkontinenzproblemen bei einer Neurogenen Stuhlinkontinenz können moderne Hilfsmittel eine wichtige Rolle spielen. Sie geben den Betroffenen oft Kontrolle, Sicherheit und Freiheit zurück und ermöglichen so deutlich mehr Lebensqualität.

Um die Bedürfnisse Betroffener möglichst gut und situationsgerecht zu versorgen, gibt es verschiedene Hilfsmittelarten und ein noch größeres Spektrum konkreter Produkte diverser Hersteller. Oft wissen Betroffene gar nicht um diese Möglichkeiten.

Aus Sicht des Einzelnen ist hier entscheidend, sich gut zu informieren und dann aus den Möglichkeiten die Versorgungslösung zu wählen, die optimal auf die individuelle medizinische Situation und seinen Lebensstil passt. Grundlage hierfür ist zum einen die richtige Diagnose, zum anderen eine Beratung durch Hilfsmittelspezialisten, die einen strukturierten Überblick über den Hilfsmittelmarkt haben und auf den individuellen Fall bezogen beraten können. Auf den Seiten zu "Produkte verstehen" finden Sie umfangreiche Informationen zu den verschiedenen Inkontinenzhilfsmitteln, deren Anwendungsbereichen und Vor- und Nachteilen.

Carola Eilers

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Carola Eilers, Kontinenz-Beraterin

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