Wenn wir vom Grad der Behinderung (GdB) sprechen, fallen oft zwei ähnliche Begriffe: „Vorteile“ und „Nachteilsausgleiche“. Sie sind scheinbar austauschbar und werden in diesem Zusammenhang meist unreflektiert als Synonyme verwendet.
Wir wollen in diesem Artikel einen genaueren Blick auf die Semantik dieser beiden Begriffe werfen und Sie dafür sensibilisieren, wo der kleine, aber feine Unterschied in ihrer Bedeutung liegt.
Ein Vorteil wird oft als etwas Positives betrachtet, das einer Person oder Gruppe im Vergleich zu anderen zur Verfügung steht. Es kann auf individuellen Fähigkeiten, Ressourcen oder Privilegien basieren. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass ein Vorteil nicht darauf abzielt, Ungleichheiten zu verringern, sondern diese oft sogar verstärken kann. Während also einige von uns bestimmte Vorteile genießen können, führen diese dazu, dass andere im Vergleich benachteiligt sind. Diese Ungleichheiten können auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, sei es sozialer Status, finanzielle Mittel oder andere Ressourcen.
Aus der Sicht nicht-beeinträchtigter Menschen erscheinen die gesetzlichen Nachteilsausgleiche wie Steuererleichterungen, Schwerbehindertenausweis und finanzielle Hilfen, die auch Stomaträger betreffen, möglicherweise als Vorteile.
Im Gegensatz zum Vorteil zielt ein Nachteilsausgleich darauf ab, bestehende Benachteiligungen oder Hindernisse auszugleichen, um allen Personen gleiche Chancen zu bieten. Es geht darum, sicherzustellen, dass Personen, die aufgrund bestimmter Umstände oder Merkmale − z.B. aufgrund eines Stomas − benachteiligt sind, die gleichen Möglichkeiten haben wie andere. Ein Nachteilsausgleich kann verschiedene Formen annehmen, sei es durch spezielle Unterstützungsmaßnahmen, Anpassungen im Bildungssystem oder barrierefreie Zugänge im öffentlichen Raum.
Die Wahl der richtigen Begrifflichkeit ist entscheidend, da sie nicht nur die Art und Weise beeinflusst, wie wir über bestimmte Themen denken, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die daraus resultieren. Indem wir von "Nachteilsausgleichen" sprechen, betonen wir die Notwendigkeit, bestehende Ungleichheiten anzuerkennen und aktiv entgegenzuwirken. Es ist ein Ausdruck des Engagements für eine gerechtere Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen die gleichen Chancen haben.
Sprache ist nicht nur ein Mittel zur Kommunikation, sondern auch eine Möglichkeit, Machtstrukturen und gesellschaftliche Normen zu reflektieren und zu beeinflussen. Es kommt darauf an, sensibel für die Implikationen unserer Worte zu sein und sie bewusst einzusetzen, um eine inklusivere und gerechtere Welt zu schaffen.
Die Wahl der Begrifflichkeit ist nicht nur eine Frage der Semantik, sondern ermöglicht auch einen tieferen Einblick in unsere Werte und Überzeugungen. Indem wir von "Nachteilsausgleichen" sprechen, zeigen wir unser Engagement für soziale Gerechtigkeit und Solidarität und setzen gegen Stigmatisierung ein Zeichen.